
Wie stellen Frauen sich die Zukunft vor?
Letzte Woche hat Dr. phil. Birgit Wegerich-Bauer, Kunsthistorikerin, Philosophin und Innovationscoachin auf ihrem Blog ein Interview mit mir veröffentlicht. Wir sprachen über Themen, die Frauen mit Blick auf unsere Zukunft bewegen.
„Mein Handeln von heute bestimmt die Zukunft!“
Wie lautet Ihr persönliches Motto für die Zukunft?
„Sei Du selbst, alle anderen gibt es schon!“, von Oskar Wilde.
Wenn Sie an Zukunft denken, welches Thema fällt Ihnen spontan ein?
Persönlichkeitsentwicklung und Arbeitswelt, Beruf und Familie und die Vereinbarkeit von beidem. Des Weiteren halte ich das Thema Bildung und Talenterkennung in der Schule für äußerst wichtig. Und gesellschaftlich betrachtet denke ich, dass wir sehr ich-bezogen und damit separierend leben.
Ältere Menschen leben in Wohnheimen für Ältere, Kinder verbringen ihre Lebenszeit in Krippen, Schulen und Tageseinrichtungen – Jung und Alt könnten soviel voneinander lernen und haben doch kaum Gelegenheit, Zeit miteinander zu verbringen.
Unser Leben und unsere Zukunft stelle ich mir integrierender, vermischter, bunter und vor allem menschlicher vor. Die gesellschaftlichen Herausforderungen, die auf uns zukommen, hängen mit unseren Lebensformen und mit unserem Verständnis zusammen, dass Leben nur möglich ist, wenn wir uns selbst, alle anderen und auch die uns umgebende Umwelt als einzigartig begreifen.
Wie wollen wir zukünftig gemeinsam leben?
Wie wollen wir Beruf und Leben miteinander in Einklang bringen? Die Familie als Keimzelle unserer Gesellschaft sollte wieder stärker in den Mittelpunkt rücken und weniger als Mittel zum Zweck betrachtet werden. Beispielweise liest man immer: Wir brauchen mehr Kinder und Zuwanderung, weil uns die Arbeitskräfte ausgehen. Was für ein Satz! Damit ordnen wir die Menschen der funktionierenden Wirtschaft unter.
Wenn Frauen und zunehmend auch Männer sich heute um Kinder kümmern, hat es in unserer Gesellschaft keine Wertigkeit.
In den meisten Teilen der Welt zählt häufig nur das, was Geld wert ist und monetär erwirtschaftet wird. Der Anteil, den Familien und Frauen zu unserem gesellschaftlichen Leben beitragen, wird komplett unterschätzt und unterbewertet. Es sollte nicht nur die Tätigkeit als Arbeit definiert werden, die Einkommen generiert.
Was sind die Themen von morgen aus Sicht der Frau?
Wir Frauen sollten uns stärker darauf fokussieren, andere Frauen zu unterstützen und unsere Gemeinschaft stärken. Stärker für uns selbst sorgen und uns nicht aus dem Blick verlieren bei all dem Alltag, den wir haben.
Welche Vision haben Sie für unsere Gesellschaft?
Leben und Arbeiten im Einklang mit unseren persönlichen Werten und Stärken. Das eine nicht getrennt vom anderen betrachten. Familie und Beruf als etwas Normales ansehen und beides mit weniger Hürden und Nachteilen als bisher leichter in Einklang bringen.
In meiner Vision, gibt es eine größere Offenheit für neue Themen – Veränderungen werden leichter. Mehr Freude und Lust am Experimentieren mit neuen Wirklichkeiten.
Viele Deutsche tun sich schwer mit neuen Themen, diskutieren und denken viel, bevor wir etwas ausprobieren. Wir haben eine stark verbreitete Angstkultur und sind sehr sicherheitsorientiert, das mag auch mit unserer Vergangenheit zu tun haben. Dadurch verlieren wir viel Lebensfreude und Leichtigkeit.
Ich wünsche mir eine größere Durchlässigkeit und Toleranz in der Arbeitswelt. Der Mensch sollte wichtiger werden als sein Lebenslauf. Und eine innere Haltung, die anerkennt, dass scheitern und daraus lernen mehr Lebenserfahrung bedeuten kann, als ein glatt gebügelter Lebenslauf. Wenn es uns gelingt, den meisten Menschen und insbesondere denen, die sowohl im Leben als auch im Beruf einen schlechten Start haben, die Möglichkeit geben, dennoch in unserer Gesellschaft ihren Platz zu finden, ist eine große menschliche Vision erfüllt.
Der andere Teil meiner Vision geht Richtung Bildung. Ich wünsche mir, dass wir ein anderes Bildungssystem haben. Ich habe mich viel mit der positiven Psychologie von Martin Seligman beschäftigt.
Er hat interessante Ansätze und Modelle für die Einführung von Fächern in Schulen entwickelt, die Kindern ermöglicht, wertschätzend, dankbar und offen für Neues zu sein. Wir sollten aufhören, Kindern in Schulen beizubringen, dass nur das reine „Faktenwissen“ unser Überleben sichert, dass es nicht normal ist, Fehler zu machen und „Noten“ etwas mit meinem Wert als „Mensch“ zu tun haben.
Mit dem Start ins Schulleben, verlieren die meisten Kinder mehr als die Hälfte ihrer Kreativität und werden zu genormten Wesen geformt. Gesellschaftlich dringend benötigte Kompetenzen wie Kreativität und Persönlichkeit werden zunichte gemacht.
Zu welchen Themen sollten Frauen mehr mitreden?
Zu allen! Ich denke, Frauen brauchen mehr Mut! Sie brauchen mehr Mut, sich sichtbar zu machen, ihre Meinung zu sagen und den Mut, für sich einzustehen!
Welche Ära würden Sie gerne für die nächsten 20 Jahre ausrufen?
Ohne Vorbehalte auf Menschen zu schauen! Über das Wissen um uns selbst sollten wir dem anderen gegenüber Toleranz entwickeln und wertschätzen, was der andere kann und zu leisten vermag. Anderssein ist eine Bereicherung! In einigen Bereichen machen wir das schon, z.B. Inklusion … aber hier könnte noch viel mehr passieren. Nächstenliebe – wie gehen wir miteinander um. Weg von dem Ausgrenzen – hin zum Miteinander!
Was dürfte nie abgeschafft werden?
Familie, gute Arbeit, Sinn. Die Frage nach dem „warum“, dem Sinn unseres Lebens und Wirkens.
Macht es Sinn sich mit Zukunftsthemen auseinanderzusetzen?
Ja – es ist unbedingt notwendig sich mit der Zukunft auseinanderzusetzen, denn mein Handeln von heute bestimmt die Zukunft.
Mit welcher Frau würden Sie gerne Essen gehen?
Judi Dench, wie ich finde, eine ganz tolle Schauspielerin und Magarethe Steif, eine Frau, die ein Unternehmen aus dem Nichts aufgebaut hat.
Worüber definieren wir Weiblichkeit?
Schwierige Frage – Authentizität. Über unsere Sprache. Das Sprechen kommt von Denken und unsere Sprache ist sehr männlich geprägt. Wir Frauen sollten versuchen, eine weibliche Sprache zu finden und zu sprechen. Des Weiteren werden wir, gesellschaftlich gesehen, häufig über Äußerlichkeiten definiert. Aussehen wird zum Maßstab. Weiblichkeit hat für mich etwas mit Ehrlichkeit zu sich und der eigenen Verletzlichkeit zu tun. Aber das wünsche ich mir auch von Männern. Wir sollten, egal ob Frau oder Mann, Gefühl, Verstand und Herz zeigen!
Welche Vorteile haben Frauen auf die Zukunft bezogen?
Frauen sind häufig sehr viel sensitiver und wahrnehmender. Diese Fähigkeit könnten Sie stärker als bisher nutzen, um gesellschaftliche Fehl-Entwicklungen zu erkennen und gegenzusteuern.
Mit welchen Herausforderungen werden Ihrer Meinung nach Frauen in Zukunft besonders zu kämpfen haben?
Eine der größten Herausforderungen wird sein, dass Frauen die Freiheiten, die sie sich über all die Jahre erkämpft haben, behalten und mehr Solidarität untereinander erfahren!
Welchen Titel hätte Ihr Science-Fiction-Roman?
Leben im Jenseits
Wenn es etwas gäbe, dass Sie im Jahre 2030 symbolisieren soll und einen Platz in einem Museum hätte, was wäre das?
Ich hätte gerne ein Kunstwerk zum Thema „Menschlichkeit“ – verschiedene Menschen mit verschiedenen Gesichtern werden zu einem Menschen zusammengeführt. Das Kunstwerk soll symbolisieren, dass wir alle Menschen, aber vom Wesen her unterschiedlich sind.
Haben Sie ein Thema, dass Ihnen besonders am Herzen liegt?
Sozialbenachteiligten Menschen in unserer Gesellschaft eine Chance geben. Ich arbeite als Coach in einem Projekt, das sich zum Ziel gesetzt hat, Langzeitarbeitslose in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Neben der Herausforderung, Unternehmer zu finden, die bereit sind, diesen Menschen eine Chance zu geben bzw. ihnen auch eine Ausbildung zu ermöglichen, geht es im Coaching darum, Blickwinkel, Perspektiven und Überzeugungen zu verändern. Es gilt, Menschen von innen zu stärken, damit sie wieder an sich glauben.
Außerdem würde ich mich gerne dafür einsetzen, Frauen mit Migrationshintergrund, unser Selbstverständnis und unsere Rolle als Frau näher zu bringen. Sie dafür sensibilisieren, wie sie Vorbild sein können und, dass sie die Rolle inne haben: „Mütter machen Männer“. Viele Frauen kommen aus anderen Kulturkreisen und sie brauchen ein Verständnis und einen Zugang zu unserem Frauenbild und unseren Werten innerhalb der Erziehung. Sie sind der Schlüssel zu einem gemeinsamen Miteinander.
Welche Frage sollten wir noch in den Fragebogen aufnehmen?
Was können Frauen aus Fehlern der Vergangenheit lernen?
Zur Person:
Cornelia Bohlen ist Karrierecoach und Stärkentrainierin. Sie begleitet Fach- und Führungskräfte auf ihrem Weg der beruflichen Weiterentwicklung. Sie blickt auf mehr als 20 Jahre Berufserfahrung als Führungskraft und Personalerin zurück. Seit 2012 ist sie mit ihrem Unternehmen BerufsLeben als HR-Beraterin, Personalentwicklerin und Coach tätig.
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