Berufliche Stärken durch Herausforderungen entwickeln
Berufliche Stärken und der Zusammenhang zwischen unserer Kindheit und Jugend
Mein Sohn war ungefähr 11 Jahre alt und das jüngste Mitglied eines Vereins, der sich gegründet hatte, um die Geschichte eines „Verstärkeramtes“ unvergesslich zu machen. Das diente im „Zweiten Weltkrieg“ dazu, Nachrichten reibungsloser zu übertragen und zeigt heute u.a. die Entstehungsgeschichte von Radio und Fernseher.
Zu dieser Mitgliedschaft kam es so: Er hatte früh eine Leidenschaft entwickelt, elektronische Geräte auseinander- und wieder zusammenzubauen. So wurde beispielsweise der nagelneue Computer – zum Entsetzen seiner Eltern – aufgeschraubt und ein größerer Arbeitsspeicher eingebaut. Einige Zeit später bekam er einen Lötkolben geschenkt, den er mit Begeisterung nahezu täglich benutzte. Immer mal wieder kamen auch alte Fernseher zu uns nach Hause, die er auseinanderbaute, reinigte und wieder in Gang brachte. Reste dieses Wirkens befinden sich heute noch auf unserem Dachboden.
Warum ich das erzähle? Genau wie bei meinem Sohn, gibt es in jedem von uns Stärken, die uns ausmachen und die es (wieder) zu entdecken gibt.
So geben häufig Tätigkeiten, die uns bereits in unserer Kindheit Freude gemacht haben, einen ersten Hinweis auf das, was uns leicht fällt und wir gut können. Bis, – ja bis zur Pubertät. Mit dem Umbau unseres Gehirns und unserer Hormone zum Erwachsenen spielt plötzlich vieles verrückt und wir vergessen ein wenig, wer wir vorher waren. Lustlosigkeit macht sich breit.
Die Frage nach den eigenen Stärken können die wenigsten Menschen auf Anhieb beantworten. Naturgemäß hat das weniger mit dem Vergessen dessen zu tun, was wir in unserer Kindheit gerne gemacht haben, sondern auch mit der Art, wie wir erzogen wurden und aufgewachsen sind.
Die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse, wie Menschen am besten lernen zeigen, unser Schulsystem leistet nur einen kleinen Beitrag dazu, Menschen zu selbstbewussten Persönlichkeiten zu entwickeln. Denken Sie einmal zurück: Kennen Sie jemand, der Ihnen als Sie Kind waren gesagt hat, was Sie gut können und Sie entsprechend gefördert hat?
Je nachdem wie Sie aufgewachsen sind, fällt es Ihnen leichter oder schwerer eigene Talente oder Stärken zu benennen. Vielen Menschen ist es sogar unangenehm, laut auszusprechen, was sie gut können. Das kann verschiedene Gründe habe: Beispielsweise, weil in der Familie besonders viel Wert auf bescheidenes Verhalten gelegt wurde. Oder, vor unserem inneren Auge tauchen Bilder von Menschen auf, die wir in unserer Jugend als angeberisch oder rebellisch empfunden haben.
Barbara Schöneberger, eine der erfolgreichsten Moderatorinnen und Schauspielerin war in der Schule immer eine Außenseiterin. Sie passte sich nicht an und hatte dadurch keine einfache Jugend. Albert Einstein flog von der Schule, weil er sich mit dem Direktor stritt.
Untersuchungen belegen, dass Menschen, die von anderen als exzentrisch beschrieben werden, in der Kindheit oft schon ihren Weg gegangen sind.
Fragt man Menschen, was Freunde oder Arbeitskollegen gut können oder welche Stärken sie haben, gelingt es ihnen in kurzer Zeit, fünf bis sieben Eigenschaften zu nennen. Die eigenen Stärken zu benennen, fällt vielen Menschen dagegen schwer. Deshalb arbeite ich in meinen Coachings und Seminaren häufig mit Fremdeinschätzungen.
Geht es um das Thema berufliche Orientierung, beginne ich z.B. mit ein paar Fragen, die in diese Richtung gehen. Eine davon ist: „Was hast Du als Kind oder Jugendlicher leidenschaftlich gern gemacht?“. Denjenigen, denen die Beantwortung dieser Frage schwerfällt, rate ich, andere Menschen zu befragen, wie beispielsweise ihre Eltern oder Geschwister. Die Teilnehmer meines Seminars: „Wie entdecke ich meine Stärken?“ bitte ich zur Vorbereitung, in ihrem beruflichen und privaten Umfeld fünf Menschen die folgenden Fragen beantworten zu lassen: „Was sind meine Stärken?“ und „Bei welchen Themen oder Tätigkeiten leuchten meine Augen?“. Die meisten sind überrascht, was andere an ihnen schätzen und in ihnen sehen.
Ähnlich ging es mir, als ich vor einigen Jahren Freunde befragte, was meine Stärken seien. Besonders eine Stärke war mir nicht bewusst: Ich kann gut auf Menschen zu gehen, denen ich erstmals begegne und finde schnell eine gemeinsame Gesprächsbasis. Für meine Tätigkeit als Coach und Berater eine wichtige Eigenschaft. Insbesondere, wenn ich mit Menschen arbeite, die eine berufliche Entwicklung klären möchten. Häufig schildern sie mir schon im ersten Gespräch unverhüllt ihre Situation. Dadurch erlauben sie mir, zum Kern der Fragen vorzudringen.
James Bond oder Lieschen Müller: beide lernen aus Ereignissen, die sie extrem fordern!
Spannend in diesem Zusammenhang ist auch die Frage „Was fordert Dich heraus?“. Genau wie Daniel Craig als James Bond, seinen Widersacher bekämpft, Hindernisse überwindet und dadurch immer stärker und erfahrener wird, kann eine persönliche Anlage durch eine große Herausforderung im Leben entdeckt und zu einer Stärke entwickelt werden. In meiner Erfahrung sind es häufig Menschen in der zweiten Lebenshälfte, die durch Krisen gehen und erst im Zustand „Reset“ erkennen, in welche Richtung sie sich entwickeln möchten.
Das bedeutet also: Sowohl unsere Lieblingsbeschäftigungen in der Kindheit als auch große Herausforderungen in unserem weiteren Leben geben Hinweise auf unsere Stärken. Aber welche Indikatoren können wir noch nutzen? Immer, wenn uns etwas leichter fällt als anderen Menschen, wenn wir bei dieser Tätigkeit die Zeit vergessen und das Gefühl der Freude empfinden, kann das ein Hinweis auf eine unserer Stärken sein.
Jeder Mensch besitzt mehrere Stärken, ob er sich dessen bewusst ist oder nicht. Meistens sind es fünf bis sieben besondere Stärken. Tests unterstützen dabei herauszufinden, welche Stärken das sind. Im Laufe der letzten Jahre habe ich viele Tests absolviert. Einen davon, den „Stärkennavigator“ von Svenja Hofert, beschreibe ich im Folgenden näher.
Zu Beginn meines Berufslebens organisierte ich große Veranstaltungen. Dazu setzte ich eine meiner Fähigkeiten ein: das Planen und Organisieren von Veranstaltungen. Von früh an, gelang es mir, Prozesse zu strukturieren, in kleinere Einheiten zu zerlegen und daraus perfekte Abläufe für erfolgreiche Veranstaltungen zu organisieren. Doch nach einigen Jahren spürte ich, dass die reine Planung und Vorbereitung routinierter Prozesse mir keine Freude mehr brachte. Den Grund dafür fand ich, als ich begann, mich mit meinen Stärken zu beschäftigen.
Besonders der „Stärkennavigator“ brachte es für mich auf den Punkt. Meine fünf Signaturstärken sind: Coach, Stratege, Koordinator, Leader und Menschenfreund. Bei der Vorbereitung von Veranstaltungen kamen mir all diese Stärken zugute. Aber der Schwerpunkt meiner Tätigkeit als Organisatorin von Veranstaltungen lag bei einer Signaturstärke, die bei mir zwar als Fähigkeit, nicht aber als Stärke ausgeprägt ist: der „Planer“. Ein Planer ist jemand, der jeden Tag, jede Woche und über lange Zeitspannen hinweg plant und sich dafür klare Ziele und Meilensteine setzt. Das bin ich nicht. Es kostete mich viel Energie, alles auf den Punkt fertig zu haben. Meine anderen Stärken, die ich später als Führungskraft und Personalerin täglich brauchte, wie beispielsweise die Stärke ‚Leader‘ oder ‚Coach‘ kamen in dieser beruflichen Phase viel zu kurz.
In der Stärkenbeschreibung ‚Coach‘ heißt es u.a. „Ihr Gesprächsstil ist durch genaues Hinterfragen geprägt. Sie finden durch hartnäckig-geduldiges Fragen und Nachfragen den Zugang zur Lösung“. Das genau bringt meine Kunden dazu, Zugang zu ihren Stärken und Fähigkeiten zu bekommen. Meine nächste Stärke ‚Strategie‘ hilft mir, Menschen in beruflich komplizierten Situationen so zu beraten, dass sie die Folgen ihres Handelns im Vorfeld gut durchdenken können. Gemeinsam führen beide Stärken dazu, Menschen begleiten zu können, damit sie Wege finden, ihre Situation erfolgreich zu verändern und dabei ihre Stärken in den Fokus nehmen.
Meine Stärken – mein Leben!
In den angesprochenen Workshops setze ich auf gemeinsames Lernen. Nachdem die Teilnehmer ihre Stärken mit dem Stärkennavigator oder einem anderen Test herausgefunden haben, stellen sie sich weitere Fragen, um ihre Stärken zu konkretisieren: Stärken geben Sicherheit – und Grenzen. Im Beruf, bei Entscheidungen, im Team.
Wann wird eine Stärke zur Schwäche?
Unser Leben besteht aus Polaritäten: Wir atmen ein und aus, die Sonne geht auf und wieder unter, um zwei Beispiele zu nennen. Stärken sind charakteristisch für uns und wir wachsen mit ihnen und an ihnen. Damit sind sie Unterscheidungsmerkmal von anderen.
Stärke wird immer dann zur Schwäche, wenn unser Verhalten unflexibel wird. Dazu gibt es viele Beispiele von Unternehmen, die über viele Jahrzehnte erfolgreich waren, dann aber in Schieflage geraten, weil sich der Markt rasant verändert, die Firmenstrategie jedoch nicht. Die alte Welt wird nicht in Frage gestellt. Bekanntes Beispiel im Handel: Internet versus stationärer Einzelhandel. Im Arbeitskontext gibt es viele Menschen, die sehr gut mit Zahlen umgehen können und eine hohe Sicherheitsorientierung haben. Manche von ihnen zeigen dadurch eine geringe Bereitschaft, Risiken einzugehen. Damit bleibt die dringende Forderung nach Innovationen und dem notwendigen Budget dafür auf der Strecke.
Meine Stärke als Coach hat auch einen Gegenpol: Ich erzähle nicht gerne viel von mir und stehe ungern im Mittelpunkt. Es erfordert Überwindung, mich vor Menschengruppen zu stellen und Seminare oder Vorträge zu halten. Hier hilft mir die andere Stärke in mir, die des ‚Leaders‘. Er wäre unzufrieden, würde er nicht auch größere Gruppen leiten. Ohne ihn liefe ich womöglich Gefahr, als Selbständiger zum Einzelkämpfer zu werden.
Zurück zu meinem inzwischen 16-jährigen, immer noch technikbegeisterten Sohn. Er befindet sich in der Phase der Berufsfindung. Klar vorne sind Berufe, in denen er etwas mit den Händen schaffen kann, wie beispielsweise Feinwerkmechanik. Aber auch Softwareprogrammierung und Jura sind im Gespräch. In dieser Phase der Berufsfindung geht es zunächst stärker um das Ausprobieren und Kennenlernen verschiedener Berufe. Erst mit der Erfahrung und der Möglichkeit, im Beruf durch die eigenen Stärken etwas zu bewirken, machen diese uns stark. Das sagte neulich ein selbständiger Physiotherapeut, der seine Arbeit liebt, zu mir: „Ich habe viele Menschen kennengelernt, die viel weniger arbeiten als ich und einen Burnout haben.“
Wer seine Stärken richtig einsetzt und dazu ein unterstützendes Arbeitsumfeld erlebt, ist weniger störanfällig. Er erlebt sich als wirkungsvoller. Für manche Menschen ein langer Weg der Erfahrungen – für mich auch.
Dieser Beitrag ist Teil der Blogparade #wassindstaerken von Svenja Hofert.
Zur Person: Cornelia Bohlen
Seit 2010 begleite ich Menschen auf dem Weg der beruflichen Veränderung. Als Business-Coach unterstütze ich Fach- und Führungskräfte dabei, ihren beruflichen Alltag klar, kompetent und authentisch zu gestalten. Workshops zu den Themen „Stärken entdecken und im Beruf einsetzen“ und „Mit Persönlichkeit überzeugen“ runden mein Profil als Coach ab.
Trackback von deiner Website.
Kommentare (1)
„Was sind meine Stärken?“, Blogparade Teil 3 | Svenja Hofert HR- und Karriereblog
| #
[…] Was unsere Stärken sind, zeigt sich oft schon sehr früh. So hilft im Prozess der beruflichen Neuorientierung die Frage nach frühen Interessen sehr. Was hat uns angetrieben? Und was hat uns herausgefordert? Cornelia Bohlen, Karrierecoach aus Rheda-Wiedenbrück, gibt den Tipp, sich diese Frage zu stellen. „Genau wie Daniel Craig als James Bond, seinen Widersacher bekämpft, Hindernisse überwindet und dadurch immer stärker und erfahrener wird, kann eine persönliche Anlage durch eine große Herausforderung im Leben entdeckt und zu einer Stärke entwickelt werden.“ Insgesamt ein sehr lesenswerter wunderbar reflektierter Beitrag, den Cornelia Bohlen geschrieben hat, die im Jahr 2015 meine Karriereexpertenakademie besucht hat und „Karrierexperte Professional“ ist. Hier. […]
Antworten